Die neuen Untouchpoints in Zeiten mit COVID-19

Am 16. März 2021 stand die Schweiz still. Und mit dem Lockdown startete die Zeit «danach.» Für die einen kam die neue Normalität schneller, für die anderen ist sie heute noch nicht spürbar. Zum Alten wird es nicht mehr zurück gehen – auch wenn sich das viele wünschen würden.

Die neuen Abstandsregeln – Social Distancing – fordern das Gegenteil von der viel gepredigten Kundennähe. Die entsprechenden Verhaltensregeln bieten vielleicht Vorteile für Misanthropen, stellen aber Unternehmen vor grosse Herausforderungen. Die Corona-Pandemie fordert ein radikales Umdenken wie Unternehmen ihre Kunden und Märkte fortan erreichen und bedienen können.

Customer Intimacy trotz Untouchpoints?

CEOs und CMOs werden sich der Frage stellen müssen, wie sie Kundenbeziehungen in der neuen Normalität gestalten werden. Wie verändert sich die Customer Journey? Welche Touchpoints gewinnen, welche verlieren? Der krasse Ausschlag des Pendels in die digitalen Kanäle wird vielleicht wieder ein bisschen zurückschlagen – aber, um es in den Worten von Matthias Horx (Zukunftsinstitut, 2020) zu formulieren: «COVID-19 hat der Digitalisierung die Zukunftsaura weggefegt». Das Coronavirus hat geschafft was kein CIO oder CDO zustande gebracht hat: Die Digitalisierung ging viral. 8 Wochen Corona haben uns 6 Jahre in die digitale Zukunft katapultiert.

Vieles, was bislang vermeintlich nicht möglich war bzw. undenkbar schien, ist plötzlich selbstverständlicher Alltag: flächendeckendes Homeoffice, virtuelle Krankenbesuche, Videocalls statt physischer Meetings, ärztliche Videoberatung, virtueller Aussendienst, kontaktloses Bestellen und Bezahlen, Homeschooling, Online-Whiskey-Verkostungen, Webinare und Social Selling auf LinkedIn… Alles Untouchpoints (GDI, 2020), die den Kundinnen und Patienten, Klienten, Studenten und Interessenten aktuell lieber sind, als der suspekte physische Kontakt.

Kunden berühren in Zeiten von Untouchpoints

Doch wie gestaltet man Customer Experience in einer Welt von Untouchpoints? Heisst «digital» und «unbemannt» gleichzeitig «unpersönlich»? Und geht damit tatsächlich der viel gefürchtete Verlust der Kundennähe einher?

Wir glauben nicht.

Wir sehen darin eher die Chance alte Zöpfe abzuschneiden – eine «Inventur» der Touchpoints zu machen, wenig wertschaffende durch Neue zu ersetzen – und damit auch digitaler und agiler zu werden.

Folgende 3 Schritte empfehlen wir, um die Krise als Chance zu nutzen:

  1. Perspektiven-Wechsel
    • Weg von der Unternehmenszentrierung hin zur Kundenzentrierung: Es geht nicht um unsere Firma, um unseren Brand, sondern um die Kunden, um deren Probleme und die Chancen, die daraus erwachsen.
    • Customer Experience: Das Schlagwort der Stunde wird zum heiligen Gral, zum Nordstern in dieser hektischen Zeit.
  2. Touchpoint-Inventur
    • Welcher Touchpoint liefert in dieser Zeit des Social Distancing keinen Mehrwert mehr zur Customer Experience?
    • Welches Bedürfnis hat er gestillt?
    • Welche Technologie ersetzt oder komplementiert den Touchpoint?
    • Welche Lösungen lassen sich in die bestehende Datenlandschaft integrieren, damit persönlich und individuell kommuniziert werden kann?
    • Welcher Touchpoint kompensiert die verlorene Beziehungsqualität?
  3. Beobachten und experimentieren
    • Welche Hacks suchen Konsumenten, um in der entstandenen «Neuen Normalität» zum Ziel zu kommen?
    • Wie können wir aus den Beobachtungen lernen und das neu gewonnene Wissen für unser Unternehmen einsetzen?

Physisches Berühren: verboten! Emotionales Berühren: erwünscht!

Mit der wiederentdeckten Kundenzentrierung richten sich alle Blicke auf die Marketers. An der Schnittstelle zum Markt stehen sie an vorderster Front der digitalen Revolution und geben den Takt der Transformation im Unternehmen an – ausgehend von der Marketingorganisation. Ihre Entscheidungen werden dank der Untouchpoints auf Daten basieren. Daten, die als Trigger Wirkungsketten entwickelt werden können, um bei den Kunden AHA- oder Wow-Effekte auslösen.

Wie erzeugt man diese AHA- und Wow-Effekte? Wie werden aus Daten Emotionen?

Emotionen haben für Unternehmen eine strategische Bedeutung – vor allem in einem Krisenumfeld, in dem eine hohe Dynamik, Wandel und Komplexität herrschen, so das klare Votum von Brian Rüeger (2018) im Buch «Emotionalisierung im digitalen Marketing».

Emotionen entstehen oftmals während der Nutzung des Produktes. Deshalb muss die Perspektive auf die gesamte Customer Journey ausgeweitet werden. Diese erweiterte Perspektive ist die Basis für Weiterempfehlung, Wiederkauf und Loyalität im Allgemeinen. Schliesslich wünschen sich Kunden nicht, was sie kaufen – eine Schliessanlage für das Haus, sondern die damit verbundenen Emotion Sicherheit.

Über die Emotionen gelingt es nicht nur, sich langfristig gegenüber der Konkurrenz zu unterscheiden. Emotionen erzeugen auch eine hohe Austrittsbarriere. Ist man emotional verbunden, vielleicht sogar ein bisschen verliebt, besteht kein Grund zu gehen.

Geht nun mit der Digitalisierung der persönliche Kontakt flöten? Corona zeigt, dass Untouchpoints dazu führen, dass wir uns neuen Möglichkeiten öffnen, und neu connecten, und zwar lieber digital als mit zu viel persönlichem Touch.

Diese digitalen Spuren führen zu noch mehr Möglichkeiten, Kunden besser zu verstehen, sie im Laufe der Zeit noch besser kennenzulernen, Neues auszuprobieren, zu experimentieren und die Massnahmen nach Lust, Laune und individuellem Geschmack anzupassen. Wenn das keine Win-Win-Situation ist?

 


Catherine B. Crowden ist CEO bei BMQ Partners. Ihre Passion: Aus Daten Emotionen schaffen. Die Zeit des Lockdowns hat sie genutzt, um für Kunden kleine, digitale Schritte zu prüfen, Use Cases zu erarbeiten, Prozesse zu vereinfachen und Kundenerlebnisse besser zu gestalten, um emotionale AHA- und Wow-Momente zu erzeugen. Welche Emotionen wollen Sie bei Ihren Kunden erzeugen?

Dr. Catherine Crowden

Co-Founder & CEO

Technik-affine Marketing-Expertin. Führungspersönlichkeit mit Expertise in Customer Experience und Customer Journey Management, CRM & Content Marketing.