Kontaktlos berühren – Wie die Emotionalisierung von Kundenbeziehungen auf Distanz gelingt

Oft bekommt man in letzter Zeit zu hören, dass es schwieriger geworden ist, bestehende und vor allem auch neue Kunden zu erreichen. Die Digitalisierung, so die These*, reduziere die Emotionalisierungsmöglichkeiten. Erst recht jetzt, mit Corona, wo viele Touchpoints von Kunden gemieden werden oder sogar illegal geworden sind.

Ist dem so? Wir glauben nicht. Wir gehen vielmehr davon aus, dass die Möglichkeiten der Emotionalisierung sogar zugenommen haben, weil Unternehmen ihre Kunden, deren Verhalten und Einstellungen mit der Nutzung der sogenannten «Untouchpoints» (GDI, 2020) wesentlich besser verstehen.

Wie Sie begeisternde Kundenerlebnisse auf Distanz zaubern können, zeigen Catherine B. Crowden und Claudia Gabler von BMQ Partners in diesem Fachbeitrag auf. Erschienen ist er erstmals in Originallänge bei cmm360.ch im August 2020.

Zum Original-Beitrag

 


Nachfolgend die gekürzte, adaptierte Version.

Das Corona-Jahr hat die Digitalisierung von der Zukunft in die Gegenwart geholt. Die Konsequenz: Touchpoints werden von Untouchpoints abgelöst. Wie wirkt sich das langfristig auf die Kundenbeziehung und die Customer Experience aus? Über die Chancen und überraschenden Möglichkeiten, welche Untouchpoints in der Kundenbegeisterung leisten können.

Im März 2020 ging die Schweiz erstmals in den Lockdown. Damit wurde die Welt, wie wir sie bislang kannten, auf den Kopf gestellt. Ganze Geschäftsmodelle wurden verunmöglicht, andere unausgereifte Touchpoints der einzige Weg zum Kunden. Viele Unternehmen konnten die Krise als Chance nutzen und mit kreativen Konzepten punkten.

Heute wissen wir, dass es kein Zurück mehr gibt zur Pre-COVID-19-Normalität. Deshalb ist spätestens jetzt ein guter Zeitpunkt, die neuen Wege zum Kunden zu erforschen. Werden diese aufgrund des hohen Digitalisierungsgrades weniger emotional ausfallen? Oder erhöhen sich die Digitalisierungsmöglichkeiten sogar, weil Unternehmen ihre Kunden dank der digitalen Spuren, die sie hinterlassen, besser verstehen lernen?

Emotionalisierung im digitalen Zeitalter

Die Unmöglichkeit Kunden so zu betreuen wie bis anhin, hat die Digitalisierung von der Zukunft in die Gegenwart geholt – und aus einer abstrakten Angst (Übernehmen Roboter und KI unsere Arbeit? Wo bleibt der Human Touch, wenn alles digital und automatisiert abläuft?) wurden konkrete Use Cases, die Jung und Alt begeistern. Unternehmen mussten neue Wege zum Kunden finden, neue Begeisterungsfaktoren entwickeln, neue Wege der Zusammenarbeit ermöglichen.

Wie anpassungsfähig Kunden sind, zeigte sich schon nach kürzester Zeit. Weder professionelle E-Commerce-Unternehmen, geschweige denn traditionelle KMU, waren auf einen solchen Ansturm vorbereitet. Sicherer als mit gewohnten Touchpoints fühlen sich Kundinnen und Kunden mit kontaktlosen Interaktionsmöglichkeiten. So stieg seit dem Lockdown die Anzahl kontaktloser Kreditkartenzahlungen innert drei Monaten von 57 Prozent auf knapp 75 Prozent. Ein neues Konsumentenverhalten, das gekommen ist, um zu bleiben.

Ein ebenso neues Verhaltensmuster ist die Videoberatung. Während dem Lockdown haben viele Konsumenten die Vorzüge der Videokonsultation für sich entdeckt. Warum sollten sie auf dieses Angebot künftig verzichten wollen? Wer irrt schon gerne durch einen Baumarkt, wenn er den Komfort von Beratung, Einkauf und Service auch bequem von zuhause aus geniessen kann?

Fakt ist, dass sich viele Menschen aktuell in übervollen Räumen nicht wohl fühlen. Dennoch wünschen sie eine gleichwertige Beratung. Allerdings bevorzugen sie hierfür «Untouchpoints». Denn die kontaktlose Experience ist teilweise nicht nur besser und effizienter. Sie ist auch ganz und gar nicht unpersönlich, sondern die Zukunft.

Aber auch die Art, wie wir zusammenarbeiten, verändert sich nachhaltig. Zurück ins Office? Oder doch lieber weiterhin zuhause arbeiten? Viele Unternehmen vermieten Teile ihrer Büroflächen, weil sie erkannt haben, dass weder Mitarbeiter- noch Kundenzufriedenheit im Homeoffice leiden, was u.a. am Rückgang der Absenzen der Mitarbeiter und sehr guten NPS Werten festgemacht werden kann.

 


Woher kommt der Begriff «Untouchpoints»?

Der Trend Report des GDI zeigt auf, dass alles was vom Konsumenten aktuell als unsicher, ungesund und unerlaubt wahrgenommen bzw. erlebt wird, aus der Welt der Touchpoints stammt, während alles was als sicher, gesund und erlaubt gilt, zu den Untouchpoints zählt.


 

Die Renaissance des QR-Codes

Nicht nur die Migros Amigos sind als wundervolles Bespiel der Emotionalisierung wiederauferstanden. Ebenso erging es den QR-Codes. Sie sind typische Untouchpoints, weil sie Kunden mit den Leistungen und Prozessen des Unternehmens verbinden. Nehmen wir den QR-Code anstelle einer Menükarte im Restaurant als Beispiel. Man öffnet damit nicht nur den Link zum Tagesmenü am eigenen Smartphone; man könnte dort auch gleich bestellen und bezahlen. Der Gastronom kann um Feedback und Bewertung auf Facebook oder Tripadvisor bitten, er könnte erfahren, wer der Kunde ist, welche Vorlieben und Allergien er hat, was er schätzt und was weniger, und daraus passende und massgeschneiderte Angebote kreieren, um die Kunden positiv zu überraschen.

Untouchpoint Event?

Auch fast ein Jahr nach dem ersten Lockdown sieht die Event- und Messe-Lage aktuell nicht sonderlich rosig aus. Wie der Festival-Sommer 2021 aussehen wird, steht noch in den Sternen. Events werden nach wie vor auf unbestimmte Zeit verschoben oder gar nicht erst geplant. Sponsoren ziehen sich zurück, weil sie den Event als Mutter aller Touchpoints und den persönliche Kontakt für unersetzbar halten. Doch es gibt es auch einen Zwischenweg, der dem Anspruch an High Touch gerecht wird – und zudem viel Kreativität in der Customer Discovery zulässt: Hybride Events. Im Fachbeitrag der Netzwoche berichten Claudia Gabler und Catherine B. Crowden ausführlich darüber.

Aber auch Events, die gar nicht stattfinden, können emotionale Reaktionen hervorrufen und ihre Wirkung zeigen. Bestes Beispiel hierfür ist das Ghost-Festival, welches Ende Februar 2021 nicht stattfindet. Gemeinsam treten über 1000 Schweizer Musikschaffende nicht am Festival auf und sammeln mittels Ticketverkäufen Spenden für die stark geplagte Kultur-Branche. Ein grossartiger, innovativer Weg auf emotionale Art und Weise Spenden zu sammeln.

Was wir aus der Krise gelernt haben

  1. Ein Anruf bleibt die einfachste, effektivste und auch schnellste Kommunikationsform, um Kunden zu beraten, Vertrauen aufzubauen, sie zu einem Kauf oder Test zu animieren und die Beziehung zu pflegen.
  2. Neue Kommunikationsmittel werden durch die Datendrehscheibe persönlich: WhatsApp, Web- oder Videochat und Telefonie können – digital verknüpft – ihren ganzen Zauber im Kundenerlebnis ausspielen.
  3. Und falls Corona doch eines Tages vorbei gehen sollte? Dann werden wir uns so sehr an den Komfort und die digitalen Möglichkeiten gewöhnt haben, dass wir ohnehin nicht wieder in die alte Welt zurückwollen. Von daher lohnt es sich garantiert, sich schon heute mit den faszinierenden Chancen der Untouchpoints zu befassen, um Kunden mit und nach COVID-19 zu begeistern.

 


* Viele hilfreiche Tipps und Tricks zu «Emotional Selling» finden sich im Buch «Emotionalisierung im digitalen Marketing – Erfolgreiche Methoden für die Marketingpraxis».

Dr. Catherine Crowden

Co-Founder & CEO

Technik-affine Marketing-Expertin. Führungspersönlichkeit mit Expertise in Customer Experience und Customer Journey Management, CRM & Content Marketing.